“Unsere Ideen müssen fluid werden, wir brauchen neue Gedankenräume“, sagt Steffi Burkhart. In ihrem Buch lässt sie 28 Persönlichkeiten zu Wort kommen, damit wir an ihren Ideen und Gedanken wachsen, mit ihnen Visionen entwickeln und Lösungen für die Arbeitswelt der Zukunft schaffen.
Der Wandel ist da
Der Wandel ist real. Naturkatastrophen, Pandemien, Auseinanderdriften von Arm und Reich, wachsender Populismus, Migrationen – eindeutige Zeichen einer Phase des Umbruchs. Ein Umbruch, wie es in der Geschichte der Menschheit schon viele gegeben hat? Nein. Historisch betrachtet waren Umbrüche noch nie so temporeich, global und deutlich.
VUKA-Umwelten sind Übergangsphasen, schreibt Kai Pfersich, einer der 28 Autoren in „Be Water My Friend“. Er charakterisiert sie als Zeitspannen, in denen das Alte an der Oberfläche noch intakt aussehe, das Unterbewusstsein aber bereits spüre, dass etwas zu Ende gehe.
Komplexität braucht Co-Creation
Übergangsphasen sind herausfordernd und komplex. So komplex, dass sie „sich nicht mit einer gedanklichen (Männer-)Monokultur aufklären oder lösen“ lassen, sagt Steffi Burkhart. Seit 2006 ist Burkhart ein lautes und kritisches Sprachrohr für die Generationen Y und Z. Sie setzt sich für einen gesellschaftlichen Wertewandel ein. Dass es ihr hier nicht nur um Gleichberechtigung geht, weiß jede/r, die/der Komplexität versteht. Komplexität kann man weder mit Erfahrungen der Vergangenheit noch mit einer Analyse der Zusammenhänge begegnen. Wir müssen den Modus der Vergangenheit verlassen. Neu denken. Neu handeln und gemeinsam in Co-Creation die Arbeitswelt der Zukunft gestalten. Dazu lade sie mit diesem Buchprojekt ein, so die Herausgeberin.
28 Perspektiven für die Arbeitswelt der Zukunft
28 Persönlichkeiten lässt Burkart in ihrem Buch zu Wort kommen. Vom ehemaligen Fußballprofi Per Mertesacker, über den Zukunftsforscher Michael Horx, dem Politiker Fabian Gramling oder Jutta Rump, einer der wichtigsten Professorinnen für Personalwesen im deutschsprachigen Raum. Sie alle blicken mit ihrer Brille auf diese Zukunft. Gemeinsam bieten sie einen Strauß von Perspektiven, den es für eine ganzheitliche Betrachtung der Zukunft wohl braucht.
So unterschiedlich wie die Hintergründe der Autoren sind auch ihre Beiträge: Während Mertesacker in einem Interview Rede und Antwort steht, laden Horx und Pfersich zur gedanklichen Reise in eine utopische Zukunft. Birthe Stegman, Partnerin bei PwC Deutschland, stellt Erkenntnisse einer globalen Studie vor, Roberto Pasqualotto berichtet, wie er den Wandel in der Arbeitswelt seiner Kunden mit einer entsprechenden Office-Gestaltung unterstützt und die ehemalige Schulleiterin und jetzige Bildungsinnovatorin Margret Rasfeld erklärt, was die Anforderungen des Arbeitsmarktes von morgen für die Schule von heute bedeuten müssen.
Die Lösungen liegen vor und nicht hinter uns
Den Modus der Vergangenheit verlassen und neue Gedankenräume betreten – das ist der unüberhörbare Appell dieses Buches. Ein Appell, zu dem „Be Water My Friend“ einen Beitrag leistet. Diesem Appell sollten wir ALLE folgen – ganz egal ob wir mit formeller Macht ausgestattet sind oder nicht. Denn die Verantwortung unsere Stimme zu erheben, unser Handeln frei zu wählen und die Macht unsere Zukunft aktiv mitzugestalten, war uns noch nie so gegeben wie heute.
„Denn die digitale Transformation bedeutet nicht nur technischen Fortschritt, sie bedeutet vielmehr eine dramatische Verschiebung von Macht und Verantwortung von Führungsetagen in die Mitarbeiterbüros.“
Christoph Burkhardt
New Work im Klartext
Der für mich stärkste Beitrag dieses Buches ist für mich der Essay von Sabine Hübner. Unter dem Titel „New Work beflügelt Servicekultur“ holt die Serviceexpertin die Diskussion rund um die New Work gleich aus zwei Blasen: aus der romantischen und der theoretischen. Sie macht klar: New Work beflügelt dann, wenn alte Tugenden zum Einsatz kommen.
Freiheit führt ins Reich der extremen Möglichkeiten zwischen erstaunlichen Höchstleistungen auf der einen Seite und Dauer-Büroparty auf der anderen.
Sabine Hübner
Nachvollziehbar und deutlich bringt sie wohlwollende Attribute der neuen Arbeitswelt wie Handlungsfreiheit, Selbstverwirklichung, Selbständigkeit, Kreativität oder Gemeinschaft mit traditionellen Tugenden zusammen. Für Hübner steht fest, dass Handlungsfreiheit nur dann zum gewünschten Ziel führt, wenn Haltung gezeigt wird. Sie weiß, dass Selbstverwirklichung nur dann gut ist, wenn Empathie vorhanden ist. Sie glaubt an Agilität – weiß aber auch, dass Agilität nur dann beiträgt Kundenwünschen flexible zu erfüllen, wenn das System Service grundsätzlich funktioniert. Vor allem aber weist sie darauf hin, dass New Work nicht ausschließlich eine Angelegenheit junger Generationen sein dürfe. Im Gegenteil: New Work brauche reife Persönlichkeiten!
Eines der schwierigsten Paradoxe von New Work ist, dass es als junge Entwicklung daherkommt und sehr viele junge Unternehmer fasziniert. Andererseits aber reife Persönlichkeiten braucht, weil es sonst nicht funktioniert.
Sabine Hübner
Es sei das UND, das zum Ziel führe. Das Ziel ist der glückliche Kunde. Er muss nach wie vor im Zentrum der Betrachtung stehen – wenngleich auch der Weg dahin in der Welt von New Work ein anderer sein wird, als jener, den traditionell aufgestellte Organisationen noch immer zu gehen versuchen. Ein Ziel, das auch die New Work Diskussion viel zu oft vergisst, wenn sie wieder einmal damit beschäftigt ist, sich selbst zu feiern.
Mein Fazit: Mit diesem Buch richtet sich Steffi Burkhart mit einem leidenschaftlichen Appell an die Leser/innen und fordert sie auf, den Modus der Vergangenheit zu verlassen und neue Gedanken- und Handlungsräume zu betreten. Dafür bietet sie die Perspektiven von 28 interessanten Persönlichkeiten. Sie alle betrachten die Zukunft der Arbeitswelt durch ihre Brille. So unterschiedlich diese Beiträge sind – sowohl in der Aussagekraft als auch im Zugang – so leisten sie doch alle einen Beitrag zu dieser Aufforderung.
Ich empfehle dieses Buch Menschen, die gestalten können oder gestalten möchten. Menschen, die den Wandel spüren und mehr darüber erfahren möchten, was auf uns als Gesellschaft, als Führungskräfte und Arbeitnehmer/innen zukommen wird. Erwarten Sie dabei keine Blaupausen, Quick Wins oder gute Tipps. „Be Water My Friend“ ist kein Ratgeber, sondern ein Buch voller Denkanstöße, Ideen und interessanten Informationen – verfasst in einer Sprache, die einem intellektuellen Diskurs eher entspricht als einer entspannten Urlaubslektüre. Daher: Legen Sie das Buch auf Ihren Couchtisch, lesen Sie immer wieder mal darin, betreten Sie ganz bewusst neue Gedankenräume und spinne Sie die Ideen der Autoren weiter. Und nicht zuletzt: Freuen sich über das äußerst gelungene Layout des Buches. Sollte Ihnen das Sonnenblumengelb einmal nicht mehr zum Gesicht stehen, dann wenden Sie doch einfach den Bucheinband – die begabte Illustratorin des Buches hatte so viele gute Gestaltungsideen, dass sich sogar ein Wendecover ausging. Applaus auch an den Vahlen Verlag für diese außergewöhnlich schön gestaltete Lektüre.