New Work – eine Frage des Kontexts?

Im bluebird.space hoch über den Dächern Salzburgs teilen sich unterschiedliche Unternehmen nicht nur die Quadratmeter ihres Shared Office Space, sondern auch die Vision von einer Arbeit, die lebendig und glücklich macht.

bluebird.space in Salzburg

„The environment shapes people’s action“

B. F. Skinner, der wohl bekannteste Vertreter des Behaviorismus, hatte mit der Idee von New Work ziemlich sicher nicht viel am Hut. Im Gegenteil, glaubte er doch daran, dass der Mensch nur durch Belohnung zu Leistung und Lernen veranlasst werden könne – ein Grundprinzip des Taylorismus. Trotzdem lassen seine Gedanken auch die Diskussion rund um New Work nicht los. Neue Bürokonzepte erobern die Unternehmen. Sie sollen Selbstorganisation und Flexibilität fördern. Beinahe jede Organisationsentwicklung wird von einer Reorganisation der Büroräumlichkeiten flankiert. Neueste Vorzeigebüros glänzen mit hippen Recreation Areas, modernster Technik und einem Rahmenprogramm, das dem Work-Life-Blending gerecht wird.

Wer oder was macht New Work wirklich aus?

Macht der Kontext einen Unterschied? Ich habe bei Helene Stainer nachgefragt. Sie ist Community Managerin im bluebird.space, einem Shared Office Space in Salzburg.

Liebe Helene. Du hast gemeinsam mit deinem Mann Anfang 2020 den bluebird.space eröffnet. Dort bietet ihr alle physischen Rahmenbedingungen, um New Work im Arbeitsalltag umzusetzen zu können. Welche eurer Räumlichkeiten werden am häufigsten genutzt, welche am wenigsten?

Helene Stainer: An erster Stelle steht da wohl das WorkCafé, das Herzstück des bluebird.space. Hier trifft man nicht nur Kollegen/innen zu einem Gedankenaustausch, sondern auch deren Kunden und Freunde – durch ein Gespräch hat sich hier schon so mancher „Deal“ ergeben. Gemäß dem Grundgedanken von New Work sind jene Räume am beliebtesten, die Kommunikation und Kollaboration unterstützen. Dazu zählen auch unsere Meeting Rooms oder unsere Team-Zonen. Einer meiner Lieblingsplätze in unserem space ist wohl jener, der am wenigsten genutzt wird: der Lounge-Chair mit Blick ins Atrium. Warum dort selten jemand sitzt? Weil sich die meisten Mitarbeiter/innen selten Ruhe gönnen. Wer Freude an der Arbeit hat, braucht wohl keine „Verschnauf-Pause“.

Gibst du Skinner recht, wenn er sagt, dass der Kontext – in eurem Fall eure Räumlichkeiten – Einfluss auf das Verhalten eurer Mieter hat?

Helene Stainer: Unbedingt! Doch sollte man „Kontext“ vielleicht zuerst mal definieren. Für mich ist Kontext Struktur einerseits und die Einbettung in ein großes Ganzes andererseits. Wer bin ich als Mensch? Ein Rädchen im Getriebe des Weltgeschehens. Wer bin ich als arbeitender Mensch? Ein Rädchen im Getriebe meiner Firma.

New Work, so wie ich es verstehe, versucht dem Menschen klar zu machen, dass jedes Rädchen wichtig ist. Je besser (und das geht nur mit Freude – und nicht mit Druck) jede und jeder von uns arbeitet, desto besser und erfolgreicher ist die Firma, für die sie/er das tut.

Welches Ambiente brauche ich, damit mir Arbeit Freude macht?

Diese Frage stand im Vordergrund, als mein Mann und ich den bluebird.space gründeten. Wir konnten diese Frage für uns relativ schnell beantworten: nur wo Freiheit und Kreativität möglich ist, wo Kunst, Architektur und Wohlbefinden mit neuester Technik aufeinander treffen, ist Freude bei der Arbeit möglich.

Braucht es abgesehen von Architektur, Arbeitsplatzgestaltung und Infrastruktur noch weiteres Engagement um New Work im bluebird.space in die Gänge zu bringen?

Helene Stainer: Das ist – so möchte ich sagen – wie in einer Beziehung. Wer nicht täglich daran arbeitet, wird bald allein sein oder sich in einer nicht sehr erfreulichen Partnerschaft wiederfinden. Und so ist es auch in unserer Community. Wer nicht täglich ein offenes Ohr für die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Mitarbeiter/innen hat, wird bald keine Community mehr haben. Unzufriedenheit, Leistungsabfall – und Kündigungen sind die Folge. Um eine Community nicht nur am Leben zu erhalten, sondern hier auch Teamspirit zu erzeugen, bedarf es vieler Anstrengungen. Achtsamkeit im Umgang miteinander, Gesprächskultur, Wertschätzung, gemeinsame Aktivitäten – all das ist gefragt.

Womit tun sich die Menschen am schwersten? Was hindert sie an New Work – auch in einer so optimalen Umgebung wie im bluebird.space?

Helene Stainer: Das ist leicht beantwortet: New Work braucht auch eine Haltungsänderung. Da kann die Architektur noch so schön sein, die Inneneinrichtung noch so fancy. Bücher, Bilder und Blumen sind zwecklos, wenn man sich dessen nicht bewusst ist, dass es beim Arbeiten nicht um ein MÜSSEN, sondern um ein WOLLEN geht, dass es nicht um mein Ego, sondern um das Miteinander geht.

New Work ist eine Haltungsfrage, ein Mindset.

Wie Ed Schein so schön sagt: der richtig gute Leader ist der, der in Demut anerkennt, dass sein gesamtes Team viel stärker ist als er allein. Er nennt das „humble leadership“. Das ist New Work. Wenn die Firmenkultur noch nicht so weit ist, lässt sich New Work auch für Mitarbeiter/innen schwer leben– da wären wir wieder bei Skinner und dem Kontext. Das System, in dessen Räderwerk ich arbeite, hat einen gewaltigen Einfluss darauf, ob ich New Work leben kann und darf oder nicht.

Wie sieht die Vision des bluebird.space aus? Welchen Beitrag wollt ihr mit euren Räumlichkeiten für die Arbeitswelt der Zukunft hier in Salzburg leisten?

Helene Stainer: Mein Mann und ich sind 60+ und blicken auf ein durchaus spannendes und abwechslungsreiches (Arbeits-) Leben zurück. Wir haben an unterschiedlichen Orten der Welt beobachtet, dass Lernen und Arbeiten dann am besten gelingt, wenn Spaß, Freude und Leidenschaft mit im Boot sind. Dass das nicht nur in Tel Aviv, auf Bali oder in Kalifornien möglich ist, sondern auch hier in Österreich, das wollen wir im bluebird.space zeigen. Arbeiten ohne Freude ist in doppelter Hinsicht schlecht: Für die Person, die die Arbeit ausführt und für das Ergebnis, das schlechter ausfällt. Mit dem bluebird.space wollen wir einen Impuls zum Umdenken geben. Wie viel schöner wäre es doch, wenn viele von uns morgens mit Freude zur Arbeit gehen, ganz im Sinne des japanischen Ikigai?

Arbeitszeit ist Lebenszeit und die sollte sinnerfüllt sein.

Wir wollen Jungen und Alten gleichermaßen vorleben, wie es auch gehen kann. Lieber als am Strand sind wir in Salzburg – im bluebird.space. Das mag seltsam klingen, aber es ist so. Dass es auch anderen in unserer Community so ergeht, das konnten wir in den vergangenen Monaten mit Freude feststellen. Und eines ist auch klar: Wir sind nie fertig. New Work ist eine Reise, ein Prozess, der immer weitergeführt wird – und so wird sich eines Tages auch die Richtige oder der Richtige finden, die oder der diese Idee weitergibt an die nächste Generation.

Helene Stainer hat gemeinsam mit ihrem Mann, Markus Stainer, den bluebird.space gegründet. Im bluebird.space wird die Arbeitswelt der Zukunft gemeinsam mit anderen Firmen, die an New Work interessiert sind, erkundet und gelebt. Von einander Lernen und der interdisziplinäre Austausch sind dabei die Motoren des gemeinsamen Mottos „Forward Together“. Helene ist Trainerin aus Leidenschaft und arbeitet an der Schnittstelle von New Learning zu New Work.

Was Sie auch noch interessieren könnte

Ein Buchtipp zu New Work: Silke Luinstras „Lebendigkeit entfesseln“. Hier gehts zur Rezension.

Hinterlasse einen Kommentar.