Am Höhepunkt der Pandemiemüdigkeit erscheint Bodo Janssens neues Buch „Eine Frage der Haltung“. Kurz bevor wir alle in den langersehnten Alltag zurückkehren, erinnert es uns daran, dass die Pandemie unsere große Chance sein könnte.
Die Pandemie war und ist die große Chance zum Nachdenken
Erinnern Sie sich noch an die leeren Autobahnen des März 2020? An die Bilder menschenleerer Innenstädte? Damals schien es, als halte die Welt den Atem an. Als rufe sie uns etwas zu. Als zwinge sie uns zu einer Stille, die wir aus freien Stücken nie zugelassen hätten. Ein Jahr danach bleibt die Frage: Was ist geblieben von dieser Stille? Haben wir irgendeine Botschaft vernommen? Oder geht es uns nur mehr darum, hier schnell rauszukommen? Auf diesen letzten Metern erscheint Bodo Janssens neues Buch. „Eine Frage der Haltung. Wie wir Krisen besser bewältigen und gestärkt aus ihnen hervorgehen.“ Ein Jahr zu spät? Nein. Gerade rechtzeitig erinnert er uns, dass wir eines nicht tun dürfen: Diese Krise vergeuden.
Wir wachsen nur in der Krise oder in der Stille
Pünktlich um 4.15 klingelt Bodo Janssens Wecker. Der frühe Start in den Tag verschafft dem vielbeschäftigten Unternehmer einen verlässlichen Raum für Zeit in der Stille. Einen Raum, in dem er seiner inneren Stimme begegnen kann wie zu keiner anderen Tageszeit. Ein Raum, der ihm ein tägliches „Rendezvous mit dem Leben“ erlaubt. Dort gibt es nichts zu entscheiden, zu leisten oder zu tun. „Nur in diesem Raum sind wir frei von der Macht der Welt“, schreibt Janssen.
„Nur in der Stille hört man“ – das, was einen bewegt, verletzt, gut tut, weiterbringt.
Dabei gehe es nicht darum, diese Emotionen zu beeinflussen. Viel wichtiger sei es zu lernen mit ihnen umzugehen, sie rechtzeitig wahrzunehmen, anzunehmen und später durch sie hindurchzugehen. Das zu tun, darin liege unsere Verantwortung.
Gewinner und Verlierer
„Wir sind in der Krise beweglicher und selbstbewusster geworden und gestärkt daraus hervorgegangen“, so lautet Janssens Resümee des vergangenen Jahres. Während andere Hotelketten beginnen, Häuser zu verkaufen um Liquidität zu sichern und einem gewaltigen Fachkräftemangel entgegenblicken, konnte die Upstalsboom Kette fast alle Häuser behalten. Neben kulturellem Wachstum erfreute sich das Unternehmen im vergangenen Jahr sogar an einem wirtschaftlichen Wachstum. Eine Krise trennt die Spreu vom Weizen. Sie macht das sichtbar, was vorhanden ist – und prüft es auf seine Standhaftigkeit. Sie wirft uns auf das absolut Notwendige und damit Wesentliche zurück. Sie lässt uns erahnen, was uns wirklich Halt gibt oder was verdorrt wie Blumen, wenn der heiße Wüstenwind darüber fegt. „Unsere Kultur hat uns gerettet“, sagt Janssen. Sie befähigte seine Mitarbeiter durch die Angst durchzugehen, Verantwortung zu übernehmen und eigeninitativ zu handeln.
Reflexion als Schlüssel
Erst sein Buch habe der Krise einen Mehrwert gegeben, sagt Janssen. Die Reflexion habe ihm bewusst gemacht, dass nicht „das Problem und die Krise an sich die größten Schwierigkeiten machen, sondern unsere Sicht auf das Problem und unser Umgang damit.“
Beklage ich, warum mir das Leben diese Herausforderung antut? Oder frage ich mich, wofür sie gut ist?
Auf 250 Seiten nimmt Janssen den Leser mit in dieses vergangene Jahr. Er teilt mit ihm teils sehr persönliche und emotionale Momente. Er gibt ihm aber auch seine Lifehacks mit auf den Weg: Strategien, Übungen, Überzeugungen, die ihm seit Jahren helfen, in den Stürmen des Lebens den Halt nicht zu verlieren. Sie waren ihm besonders im letzten Jahr eine wertvolle Kraftquelle. Janssen bewegt sich dabei querbeet durch unterschiedliche Kulturen und Religionen: von benediktinischen Regeln der Gesprächsführung, die er bei seinen Zoom-Calls anwendet, über das Ikigai, dem japanischen Konzept zur Lebensausrichtung bis hin zu wertvollen Strategien aus dem Bereich der Meditation. Wer auf Methoden oder Tools hoffe, werde allerdings keine finden, bemerkte Janssen in einem Interview. Stattdessen empfehle er jedem, der sich auf dem Weg zu sich selbst machen möchte 10 Minuten Zeit täglich. 10 Minuten in Stille um sich zu fragen: Was hat mir das Leben heute geschenkt? Wofür war es gut?
Anfang oder Ende
„Manchmal frage ich mich, ob das, worüber ich hier geschrieben habe, nur die Erkenntnis ist aus dem, was ich in Krisen erlebt habe, oder ob es etwas ist, das mich auf etwas vorbereitet, von dem ich noch nicht weiß, was es sein wird“, sagt Janssen am Ende seines Buches. Er bleibt uns die Antwort natürlich schuldig. Ein guter Grund, damit zu beginnen, Halt nicht in Dingen oder der Welt, sondern in uns selbst zu suchen.
Mein Fazit: Wer auch nur ahnt, dass das Leben viel schöner sein kann, als nur erfolgreicher zu werden, der sollte „Eine Frage der Haltung“ lesen. Ich empfehle es Menschen, die das vergangene Jahr für sich persönlich, ihre Mitarbeiter oder ihr Unternehmen nicht ungenützt lassen wollen und die Pandemie als große Chance erkennen möchten – das spricht Menschen mit Führungsverantwortung gleichermaßen an wie Eltern, Pädagogen oder Frauen und Männer, die persönlich weiterkommen möchten. Durch den Erzählstil ist es gut lesbar. Bodos persönliche Geschichten und Erfahrungen machen es authentisch und überzeugend. Für mich das bislang beste Buch von Bodo Janssen. Eine absolute Leseempfehlung!
„Eine Frage der Haltung“ ist im Ariston Verlag erschienen. 256 Seiten, gebundene Ausgabe. ISBN 978-3424154153